Hannover (dpa/lni) - Niedersachsens Verfassungsschutz soll Jugendliche künftig bereits mit 14 Jahren schneller ins Visier nehmen dürfen. Die Hürden für die Speicherung von Daten minderjähriger Extremisten ab dem 14. Lebensjahr sollten gesenkt werden, kündigte Innenminister Boris Pistorius (SPD) am Dienstag in Hannover an.
Die rot-schwarze Landesregierung hatte sich zuvor auf die Neufassung des Verfassungsschutzgesetzes geeinigt, die schon im Koalitionsvertrag 2017 geplant wurde. Der Gesetzesentwurf, der dem Nachrichtendienst angesichts extremistischer Bedrohungen mehr Spielraum gibt, wird nun in den Landtag eingebracht.
Bisher galten die niedrigeren Hürden erst ab 16 Jahren. Die Altersgrenze war jahrelang Thema politischer Diskussion. Die Messerattacke der damals 15-jährigen IS-Sympathisantin Safia S. 2016 auf einen Bundespolizisten in Hannover gab dann den Ausschlag für einen frühen Blick des Verfassungsschutzes auf radikalisierte Jugendliche.
Die Novelle sieht außerdem den leichteren Einsatz von V-Leuten zur Beobachtung von Extremisten vor. Bisher war dies nur bei Nachweis einer Gefahr möglich. Künftig können Vertrauenspersonen bei allen Beobachtungsobjekten eingesetzt werden. Allerdings gibt es zuvor eine Verhältnismäßigkeitsprüfung. In der Praxis zähle der Einsatz von V-Leuten zu den effektivsten nachrichtendienstlichen Mitteln.
Zudem soll der Verfassungsschutz künftig selber Auskünfte über Bankkonten einholen können, wie dies auf Bundesebene bereits möglich ist. "So würde es künftig auch in Niedersachsen einfacher, die finanzielle Ausstattung extremistischer Organisationen zu ermitteln und einzuschätzen", erklärte Verfassungsschutzpräsident Bernhard Witthaut. Auch soll die Datenübermittlung an beteiligte Einrichtungen erleichtert werden.
Eingeschränkt werden die Auskunftsmöglichkeiten von Menschen, die wissen wollen, was der Verfassungsschutz über sie gespeichert hat. Einen Anspruch auf Auskunft hat demnach nur, wer auf einen konkreten Sachverhalt hinweisen und besonderes Interesse darlegen kann. Damit soll der Verfassungsschutz entlastet werden. Massenhafte Anfragen insbesondere aus der linken Szene hatten dem Amt viel Arbeit beschert. Eine Panne bei einer Abfrage führte 2018 zum Rücktritt von Verfassungsschutzpräsidentin Maren Brandenburger.
FDP-Fraktionschef Stefan Birkner kritisierte die geplante Ausweitung von Befugnissen. Die Arbeit der Behörde leide nicht unter fehlenden Befugnissen, sondern organisatorischen und personellen Defiziten. "Minister Pistorius sollte sich darauf konzentrieren, diese Defizite abzustellen."
Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Helge Limburg vermisst in dem Entwurf eine Ausweitung der parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten. Stattdessen wolle die Koalition immer weiter in Grundrechte eingreifen. "Minderjährige im Alter von 14 Jahren mit verfassungsfeindlichen Ansichten sollten in erster Linie ein Fall für die Jugendhilfe sein, nicht für den Verfassungsschutz."
September 01, 2020 at 10:16PM
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Verfassungsschutz soll mehr Spielraum bekommen - Süddeutsche Zeitung
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