Young Euro Classic
Gabriele Minz: „Das Festival jetzt bekommen wir hin“
Gabriele Minz spricht über das Young Euro Classic, bei dem internationale Talente spielen, die derzeit in Berlin studieren.

Gabriele Minz, Festivalleiterin von Young Euro Classic, in ihrem Büro in Charlottenburg.
Foto: Jörg Krauthöfer/FFS
Es gäbe nur noch wenige Karten im freien Verkauf, sagt Festivalleiterin Gabriele Minz. Das Publikum bleibt treu, aber vieles ist in diesem Sommer beim Young Euro Classic im Konzerthaus auf dem Gendarmenmarkt, das verkürzt vom 1. bis zum 10. August stattfindet, anders. Trafen sich in den Vorjahren Jugendorchester aus aller Welt in Berlin, steht diesmal Kammermusik im Mittelpunkt.
Frau Minz, mit dem Festival wird zugleich das Konzerthaus wiedereröffnet. Auf welche Situation müssen sich die Besucher einstellen?
Der Große Saal steht uns mit deutlich eingeschränkten Platzkapazitäten zur Verfügung. Normalerweise passen 1580 Besucher rein, wenn man den Mittelgang mitbestuhlt. Jetzt bleibt jede zweite Reihe leer. Wenn man als Paar kommt, dann sind neben einem jeweils drei Plätze frei. Insgesamt haben wir 350 Plätze zur Verfügung. Im Kleinen Saal ist das Verhältnis etwas günstiger, dorthin können wir rund 100 Besucher einladen. Außerdem haben wir das Festival in diesem Sommer von 18 auf zehn Tage verkürzt.
Bislang hat das Festival immer große Jugendorchester aus aller Welt eingeladen.
Auch in diesem Jahr hatten wir zunächst einmal große Orchester eingeladen, ihnen mussten wir Ende März/April dann absagen. Bis auf zwei haben alle zugesagt, im nächsten Jahr wiederzukommen. Dann haben wir überlegt, was überhaupt unter den Reisebeschränkungen und Abstandsregeln auf der Bühne möglich ist. So kamen wir dazu, Kammermusik anzubieten. Darüber hinaus sind wir durch die guten Verbindungen unseres künstlerischen Leiters Dieter Rexroth zu den Musikhochschulen schnell auf die Idee gekommen: Wenn die jungen Musiker nicht zu uns reisen können, dann schauen wir einmal, welche Talente aus aller Welt studieren denn an unseren Berliner Ausbildungsinstitutionen -- der Universität der Künste, der Eisler-Musikhochschule und der Barenboim-Said Akademie. Wir stießen auf große Resonanz.
Auf den ersten Blick fällt auf, dass das Festival nicht mehr mit Ländern wie China, Spanien oder Russland wirbt, sondern mit Städtenamen?
Um diese Städte herum rankt sich musikgeschichtlich eine große Vielfalt. Wir beginnen am 1. August mit Griechenland als Wiege Europas sowie dem Verhältnis zu Europa. Am zweiten Abend gehen wir über zu Wien, in dem Programm präsentieren sich das Amatis Trio und andere Musiker der Eisler-Hochschule. Es folgen Paris, St. Petersburg und Berlin. Unsere Stadt bringt eine ganz andere Farbe ein, vorgestellt werden Wieland Welzels Neuinstrumentierungen von Schlagern, von den 1920er-Jahren bis heute. Der Philharmoniker hat 100 Jahre Zeitgeschichte in Jazz übersetzt! Wir haben versucht, die Internationalität diesmal thematisch zu repräsentieren.
Auf welches Programm sind Sie besonders stolz?
Auf das Auftaktprojekt Griechenland bin ich stolz, gerade auch, weil ich eine große Anhängerin der europäischen Idee bin. Wir haben in diesem Programm alles drin, was unser Festivalanliegen ist: Es spielen junge Musiker, sie sind international und ihr künstlerisches Schaffen steht in der europäischen Musiktradition, die sie nach ihrer vollendeten Ausbildung in die Welt hinaustragen werden. Insofern haben wir den Markenkern, wie man auf Neudeutsch sagt, beibehalten. Wir schließen am 10. August auch mit dem Thema Europa, in diesen turbulenten Zeiten brauchen wir einfach ein starkes Europa.
Das Festival wirbt seit Jahren damit, eine andere Jugendkultur neben dem Berghain zu präsentieren. Die Berliner Clubs sind zu, die Proberäume ebenfalls – was sind Ihre Beobachtungen bei den jungen Musikern?
Was wir in der Vorbereitung gesehen haben: Für viele junge Musiker ist es eine extreme Belastung alleine zu arbeiten, den Kontakt zum Lehrer nur digital halten zu können. Wir haben starke Gefühlsregungen erlebt, als wir ihnen die Plattform angeboten haben. Es ist zwar eine große Bühne, sie füllen dürfen wir aber nur mit wenigen. Auch die Dozenten, die das Leid ihrer Studenten miterleben, waren ungeheuer kooperativ. Wir müssen jetzt als Gesellschaft aufpassen, dass uns bei der Musikausbildung nicht ein ganzer Jahrgang verloren geht. Die jungen Musiker brauchen zwingend ihr Publikum.
Die großen Opern- und Konzerthäuser stöhnen darüber, dass unter den Sitzplatzregeln kein rentabler Betrieb möglich wird. Aber die Einrichtungen sind immerhin subventioniert. Wie bekommt Ihr Festival das hin?
Wir kennen das, mit spitzem Bleistift zu arbeiten. Wir haben unter all unseren Partnern geworben, uns beizustehen. Wir hatten bereits Tickets für das noch als Orchesterfestival angekündigte Programm verkauft, die sind zu einem relevanten Teil in Spenden umgewandelt worden. Einige haben auf die Überweisung geschrieben: Damit ihr überlebt! Das hat uns sehr bewegt. Das Festival in diesem Jahr werden wir hinbekommen. Wie alles weiter gehen wird – wir finanzieren Young Euro Classic zu einem großen Teil durch Ticketeinnahmen –, das wird die Zukunft zeigen.
July 29, 2020 at 11:00AM
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