
Eigentlich sollte der neue Bußgeldkatalog die Strafen für Tempo-Sünder deutlich verschärfen. Nun bekommen im Oberland rund 700 Raser ihren Schein zurück.
- Wegen eines Formfehlers wurde vor wenigen Wochen der Ende April in Kraft getretene strengere Bußgeldkatalog zurückgezogen.
- Die in Bad Tölz ansässigen Verkehrsüberwacher müssen deswegen tausende korrigierte Bescheide verschicken.
- Von 800 Autofahrern, denen im fraglichen Zeitraum die Fahrerlaubnis entzogen wurde, bekommen 700 den Führerschein zurück.
Bad Tölz – Es war eine weitere Aufsehen erregende Panne im Bundesverkehrsministerium: Der Ende April in Kraft getretene neue Bußgeldkatalog musste wegen eines Formfehlers vor wenigen Wochen wieder zurückgenommen werden. Auch eine Reihe von Autofahrern im Landkreis konnte durchschnaufen: Sie bekommen nun ihren soeben entzogenen Führerschein zurück. Erheblichen Stress hatten unterdessen die Verkehrsüberwacher des in Bad Tölz ansässigen Zweckverbands Kommunales Dienstleistungszentrum Oberland (KDZ): Sie mussten tausende Bescheide neu bearbeiten.
Der vorübergehend angewandte Bußgeldkatalog zeichnete sich durch eine deutliche Verschärfung der Regeln aus. Viele Verstöße wurden teurer. Und der Führerschein wurde schon eingezogen, wenn man innerorts 21 Stundenkilometer oder außerorts 26 Stundenkilometer (km/h) zu schnell fuhr. Zuvor lagen die Grenzen bei Übertretungen von 31 bis 41 km/h, wie Sebastian John, Innendienstleiter des Zweckverbands, erläutert.
Zahl der Führerscheinentzüge hat sich vervielfacht
Das hatte zur Folge, dass sich die Zahl der Führerscheinentzüge im Zuständigkeitsbereich des KDZ „vervielfachte“, wie John sagt. Statt wie sonst üblich 100 verhängte das KDZ, dessen Einzugsgebiet sich über zehn Landkreise in einem weiten Ring südlich von München erstreckt, von Ende April bis Anfang Juli 800 Fahrverbote.
Insgesamt gab es laut John in der vorübergehenden Geltungszeit des neuen Bußgeldkatalogs beim KDZ 61.000 Verfahren. Mit ihnen wurde danach unterschiedlich umgegangen: Verfahren, die bereits abgeschlossen waren, behielten ihre Gültigkeit. Das ist bei kleineren Verwarngeldern der Fall, sobald der Verkehrssünder bezahlt hat. Und bei Bußgeldverfahren, wenn die Einspruchsfrist von zwei Wochen vorüber ist. „Ein Großteil der Verfahren musste somit nicht rückabgewickelt werden“, sagt John.
Fürs Parken auf dem Rettungsweg müssen Verkehrssünder nur 35 statt 55 Euro zahlen
Anders war es bei den noch laufenden Verfahren – laut dem Innendienstleiter immer noch rund 15.000 bis 16.000. „Diese Verfahren dürfen wir nicht mehr weiterverfolgen“, erklärt John. Das bedeutet, dass in jedem einzelnen Fall das Vergehen nach dem alten Bußgeldkatalog neu bewertet werden musste. Die Mitarbeiter schickten allen Betroffenen dann korrigierte Bescheide zu. Für den einzelnen heißt das zum Beispiel, dass er für eine geringfügige Geschwindigkeitsübertretung von sechs km/h innerorts nicht 30, sondern nur 15 Euro zahlen muss – oder fürs Parken auf einem Rettungsweg nicht 55, sondern 35 Euro.
Besonders bedeutsam ist die Rücknahme des verschärften Bußgeldkatalogs für diejenigen, denen der Führerschein entzogen wurde. Sie können größtenteils damit rechnen, ihre Fahrerlaubnis zurückzuerhalten. Wo das Verfahren noch läuft, da stellt der Zweckverband ebenfalls korrigierte Bescheide aus – wobei die Bewertung der Vergehen nach den alten Regeln meistens ergibt, dass der Führerschein nicht entzogen wird.
Innenminister gebt Führerscheinentuzug auf dem Gnadenweg auf
Führerscheinentzüge, die bereits rechtskräftig sind, werden ans Innenministerium weitergeleitet. „Diese Fahrverbote werden auf dem Gnadenweg durch den Innenminister aufgehoben“, sagt John. Insgesamt kommen somit rund 700 von 800 Betroffenen noch einmal darum herum, ihre Fahrerlaubnis abgeben zu müssen. Nur bei den 100 Autofahrern, die auch nach den alten Regeln den Führerschein hätten abgeben müssen, bleibt es dabei.
Für die Mitarbeiter bedeute das Korrigieren der Bescheide bis heute „deutliche Mehrarbeit“, sagt John. Dazu kam: Nachdem die Unwirksamkeit des neuen Bußgeldkatalogs bekannt wurde, hätten viele Autofahrer beim Zweckverband nach den Auswirkungen gefragt. „Wir haben um die 1000 schriftliche oder telefonische Anfragen bekommen“, sagt John. Ärger hätten die KDZ-Mitarbeiter dabei aber nicht abbekommen: „Die meisten wissen ja, dass der Fehler nicht unser Verschulden war.“
Im Jahr 2019 hatte der Tölzer Zweckverband insgesamt Bußgelder in Höhe von 4,5 Millionen Euro erhoben.
Lesen Sie auch:
Unterwegs mit den Walchensee-Rangern: Im Paradies braucht man ein dickes Fell
August 14, 2020 at 08:37PM
https://ift.tt/2XXToH5
Wegen Ministeriums-Panne bei neuem Bußgeldkatalog: 700 Raser im Oberland bekommen Führerschein zurück - Merkur.de
https://ift.tt/38gKPv0
bekommen
No comments:
Post a Comment